polypolis

 

städtebauliches projekt „neues wohnen und arbeiten“, mit florian krieger, max pasztory, julia schößler
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Es gibt keinen weltanschaulich-philosophischen Bezugsrahmen für den Städtebau mehr. Kein wissenschaftlich-ideologisches Paradigma, dessen einheitliche Ordnung im Spiegel des Stadtbildes deutlich werden könnte. Der eine Betrachter ist abgetreten, der Spiegel zerbrochen, die Moderne hat sich samt ihrem Glauben an die Machbarkeit der Welt und die selbstbewußte, autonome Subjektivität ihrer Akteure im Chaos verlaufen. Wie sieht sie aus, die Stadt in der Welt ohne Gewißheiten, autoritäre monotheistische Wahrheiten, die Stadt in der Gesellschaft der Subjekte ohne Subjektivität, nur mit dem Mangel am anderen ausgestattet und den Relikten einer auf die Zukunft orientierten Vergangenheit? R. Sennet schlägt vor, Sinn in der Komplexität zu suchen, Differenz als Reichtum zu betrachten, Identität im Bezug zum Anderen zu gewinnen und nicht mehr in der Flucht zu Gott oder den Göttern der Moderne (Markt, Macht, Mobilität, Wissenschaft) zu suchen. Eine neue Stadt muß dieser Differenz Raum geben.

Genesis aus der Aussichtslosigkeit

Die Städte der modernen Industriegesellschaft sind am Ende. Soziale Segregation, Elend im Konsumwohlstand, zum Stillstand gekommener Verkehr, überhandnehmende Kriminalität, ökologischer Kollaps, korrumpierte Öffentlichkeit und totale Handlungsunfähigkeit der Kommune. Die Stadt hat zuerst ihre Lebensqualität als Ort von Gemeinschaft und dann ihre Lebensfähigkeit verloren. Aber inmitten ihres Verfalls formiert sich Widerstand. Es entstehen Inseln von Gegenkultur – Brutstätten der Idee einer neuen Stadt. Unterschiedlichste Gruppen schließen sich zusammen und diskutieren die Möglichkeit eines neuen Stadtkonzepts, welches auf den Erfahrungen des akuten urbanen Desaster basiert, aber die ursprünglichen Qualitäten, die die Städte in ihrer geschichtlichen Entwicklung aufzeigten, behält. Sie entschließen sich zum Auszug aus der alten und zur Gründung der neuen Stadt. Die unterschiedlichen, teilweise entgegengesetzten Lebensphilosophien, Orientierungen und Wünsche sollen in der Struktur der Stadt ablesbar sein – ihre Planung soll aus dem Diskurs dieser Differenzen heraus entstehen. Aus Mitgliedern dieser spontanen Gründungsgemeinschaft – die nichts weiter vereint als der Wille zur neuen Stadt – wird eine Planungsgruppe zusammengestellt, die ihr Strukturkonzept in Diskussion mit den zukünftigen Nutzern entwickeln. Die Differenz der Planer reflektiert die Differenz der Nutzer – ein heterogenes Stadtgebilde entsteht.

Die Stadt der Differenz

Die Stadt kann und soll die gesellschaftlichen Widersprüche und sozialen Konflikte nicht mit einer formalen, angeblich funktionalen, räumlichen Ordnung (Raster) überdecken, nicht Homogenität planen, wo Heterogenität und damit Unvorhersehbarkeit unausrottbar sind. Sie kann nur Raum anbieten, in dem die Pluralität und Widersprüchlichkeit der Anschauungen, Werte und Lebensweisen aufeinandertreffen; a) in Form architektonisch und städtebaulich unterschiedlicher Bebauungsformen, b) als Diskurs im öffentlichen Raum. In diesem Spannungsfeld der Kommunikation/Interaktion von Individuen und Gruppen bilden sich Konsens und Dissens, Identität und Differenz heraus – es entsteht Gemeinschaft. Sie bedarf des kontinuierlichen, ortsbezogenen, möglichst direkten Austauschs ihrer Mitglieder, um ihre strukturellen Grundlagen (Normen, Werte, Recht, Verhältnis von Allgemeinheit und Besonderem, Individuen und Gemeinschaft) zu definieren bzw. immer wieder neu zu definieren. Dieser Prozeß läßt sich als gesellschaftliche bzw. urbane Sinnproduktion beschreiben, der in einer idealen Gesellschaft bzw. Stadt alle Mitglieder miteinbezieht und sie dadurch im politischen Diskurs mit der Situation der Allgemeinheit des urbanen Kollektivs konfrontiert und so den Einzelnen zum Kollektiv in Beziehung setzt (klassische Vorbilder: Agora, Forum, Stoa, … , Kaffeehaus, Markt, Platz, … ).

Die autonome Stadt

Voraussetzung für wirkliche Interaktion sind die Überschaubarkeit und relative Unabhängigkeit des Kollektivs (30 000 Einwohner, politische Autonomie, Stadtstaat?). Politische Entscheidungen müssen a) Resultat eines möglichst alle Bewohner einbeziehenden Diskurses sein und möglichst wenig vermittelt/delegiert werden und müssen b) gegenüber der Außenwelt durchsetzbar sein bzw. unabhängig von gesamtgesellschaftlichen bzw. globalen Zwängen gefällt werden können. Nur wenn die Fragen des Ortes (von technischen organisatorischen Problemen bis zu ethisch-philosophischen Fragestellungen: ”Wie wollen wir leben?”) in konkrete Praxis münden, anstatt in Vermittlungs- und Verwaltungsinstanzen zu versanden, besteht eine Dimension des Politischen im Sinne der Polis als selbstbezogenes System:

- freier Austausch der Meinungen

- grundsätzlicher Wertediskurs zur Bestimmung des gemeinschaftlichen Rahmens, in dem sich individuelles Handeln bewegt

Erst hieran schließt sich die pragmatische Dimension von Politik in Form konkreter Entscheidungen an.

Stadt als Lebenswelt

Nur wenn der Einzelne die Entwicklung seines Wohnortes (seiner Lebenswelt) als von ihm beeinflußbar erlebt, sich in den politischen Prozessen wiedererkennt, ist eine Identifikation des Einzelnen mit der Allgemeinheit möglich, zeigen die potentiell entgegengesetzten Interessensphären Schnittpunkte auf: Der Stadtbewohner fühlt sich für seine Stadt verantwortlich. Er erkennt die Abhängigkeit seines individuellen Glücks vom Zustand des Ganzen, begreift sein existentielles Angewiesen-Sein auf die anderen nicht als Grenze, sondern als Grundbedingung für die Entfaltung dessen, was man Subjektivität nennt. Sie bedarf des konkreten Anderen als Interaktionspartner, an dessen Reibungsfläche sich die eigene Differenz entzündet. Der Andere zwingt dazu Position zu beziehen, dagegen oder dafür zu sein, sprich das eigene Selbst zu formen und zum Ausdruck zu bringen. Der Andere ist die dialektische Gegenseite, demgegenüber sich die eigene entwickelt. Nur als Differenter kann er die Seinsbestätigung geben, der jeder bedarf.

Stadt als Ort von Vermittlung / Stadt als Ort von Identitäts- und Bewußtseinsentwicklung

Gemeinschaft, Gesellschaft, Kultur >

Lebensmilieu, Sprache, Symbolik, Kunst, Arbeit, Geschichte >

Bewußtsein, (sprachl. konst.), Entscheidungsfreiheit (relativ), Negation, Identität, Nicht- Identität >

Subjekt >

Interaktion, Kommunikation, Produktion>

Subjekt(e), der Andere, die Gemeinschaft >

Geborgenheit, Sicherheit, Bestätigung …

Heimat ergibt sich aus der Identität des Individuums als Mitglied der Gemeinschaft. Dank seines Bewußtseins kann das Subjekt allerdings diese Identität ablehnen, negieren und seine Differenz in sein Verhältnis zur Gemeinschaft einschleusen (Negation — Entscheidungsfreiheit). Das Wechselspiel von Identität mit dem städtisch- kulturellen Kontext und deren Negation ist Bedingung der Freiheit des Individuums.

Politische Organisationsstruktur

Ziel der politischen Organisationsstruktur ist daher die Minimierung von homogenisierender, repressiver Gemeinschaftlichkeit, der Abbau von Hierarchie- und Machtstrukturen, sowie von Abhängigkeitsbeziehungen, die der freien Interaktion selbstbewußter Individuen entgegenstehen. Es geht um die Aneignung des Ortes durch seine Bewohner.

Aufsplitterung, Fragmentierung, extreme Dezentralisierung von Macht-, Produktions- und Verwaltungsstrukturen in kleinste, überschaubare, ortsdefinierte Einheiten.

1 Wohnhaus, Werkstatt, Betrieb, Atelier

Diskussionsrunden, Probleme, Entscheidungen

übergreifende Probleme

2 Wohnblock, -zeile bzw. Wohnquartier, Kiez, …

erste “politische” Instanz

bestimmen Sprecher (Vertreter, imperatives Mandat)

3 Rat der Quartiere, Viertel, Genossenschaften, Initiativen (Imperatives Mandat)

bilden die 2. politische Instanz der KOMMUNE

stadtübergreifende direkte Entscheidungsprozesse, Abstimmungen, Volksbegehren

Ökonomische Struktur

Der Aufgliederung der politischen Struktur in kleinste ortsdefinierte Einheiten (unmittelbare Nachbarschaft, der Wohnblock, die Zeile etc.), die über ihren Wohn- und Arbeitsraum als kleines Kollektiv selbst verfügen können, entspricht die Aufgliederung der ökonomischen Struktur in selbstverwaltete Produktionsparzellen.

-        Umverteilung – Verkürzung der Arbeitszeit durch Aufgabe “nutzloser” Arbeiten (Überproduktion, Vermeidung von Bürokratisierung durch kleinteilige Strukturen) und Umverteilung auf mehr Personen.

-        Ineinandergreifen von Ausbildung, Bildung und Arbeit, zeitlich begrenzter Ausstieg aus dem Beruf soll möglich sein

-        Flexibilität des Arbeitsmarktes

Die direkte Koppelung von Wohnen und Arbeiten im Block / in der Zeile ermöglicht die direkte Kontrolle des Produktionsprozesses durch seine am gleichen Ort oder in der Nähe wohnenden Betreiber. Wohnen und Arbeiten sind am Ort konfrontiert; ihr Verhältnis läßt sich leichter als eine integrale Lebenssphäre, in der sich beide Komponenten relativieren, diskutieren und betrachten.

Die Frage nach der Rolle von Arbeit in der Lebenswelt, nach ihrem Sinn und ihrer Notwendigkeit in Relation zu den eigenen Lebenszielen drängt sich auf und läßt sich aufgrund der Flexibilität der kleinteiligen, unbürokratischen Strukturen direkt durch konkrete Veränderung beantworten.

Arbeit als Teil des Daseins am Ort verliert seine negative Besetzung als Gegenwelt der puren Notwendigkeit. Der Einzelne begreift sich nicht länger als ohnmächtiges Rädchen in der anonymen Produktionsmaschinerie “Gesellschaft“, sondern als Gestalter seines Lebens- und Arbeitsumfeldes.

Das Zentrum, der öffentliche Raum, der Arbeitsraum

Der Aneignung des städtischen Raums als selbstorganisiertem Wohn- und Arbeitsraum steht die Aneignung des Zentrums/der Zentren als Forum des politischen und kulturellen Diskurses gegenüber. Um das Zentrum als Freiraum des Austauschs und die Stadt als Lebensraum zurückzugewinnen, ist es notwendig, sie aus der Dominanz der ökonomischen Austauschprozesse herauszulösen.

Verkehrskonzept

“Die Städte der Zukunft werden mit ökologischen Konzepten geplant werden, die die Umweltbedingungen verbessern, den Energieverbrauch verringern und Vorrang für Fußgänger, Fahrradfahrer und öffentliche Verkehrssysteme lassen.” (Richard Rogers) Schwerpunktmäßig wird der Nahverkehr über die Straßenbahn abgewickelt. Das Privatauto gibt es nicht mehr, jedoch die Möglichkeit des Autoverleihs und des Carsharing.

- Personenverkehr:

- Fernverkehr über die Bahn

- Nahverkehr über die Straßenbahn und Kleinbusse mit variabler Route

- Individualverkehr über Fahrrad und Taxi

- Güterverkehr:

- Fernverkehr über Binnenschiffahrt und Bahn (Fabrikanschluß)

- Nahverkehr über die Straßenbahn, Fahrradkuriere und Kleintransporter

Die Straßenbahn

Der öffentliche Personen- und Güternahverkehr werden überwiegend mit der Straßenbahn bewältigt. Die Bahn ist modular aufgebaut. Die raumgreifenden Antriebsteile sind außen um die Gelenke des Zuges angebracht. So entstehen Zwischenmodule, die Raum zum Durchgang ohne Sitzplätze aufweisen. Dadurch ist der Boden des Fahrgastraumes auf 20 cm über Straßenniveau abgesenkt. Breite Türen ermöglichen schnellen Fahrgastwechsel, um die Taktzeit zu erhöhen. Die Wartung und Reparatur der Motorenmodule ist stark vereinfacht durch seitliche Unterbringung der technischen Installationen an den Außenseiten der Betriebsmodule.

Das Fahrgastmodul ist gegen ein Gütermodul austauschbar. Die Fahrgastzelle bietet genügend Raum für die Unterbringung von Fahrrädern durch die Verringerung von Sitzplätzen (höhere Stehplatzauslegung ermöglicht in Stoßzeiten eine größere Kapazität). Große Steigungen (40 %) werden durch ein zuschaltbares Zahnrad bewältigt. Zum Fahrgast-, Güter- und Betriebsmodul kommt als viertes Modul der Fahrerstand hinzu. Um den Güterverkehr auch am Tag zu ermöglichen, ohne den Personenverkehr zu behindern, gibt es an den Haltestellen ein Abstellgleis für den Güterzug, da die Be- und Entladezeiten länger dauern als das Ein- und Aussteigen von Personen.

Die Mietfabrik

Die Etagen der Fabrik sind variabel und werden nach Bedarf vermietet. Konstruktion des Gebäudes, Technik und Nebenräume sind außen an der transparenten Fassadenhülle angebracht, um höchstmögliche Variabilität und Offenheit zu erreichen. Die Fabrik ist in den Stadtraum integriert, damit auch komplexere Produktionsabläufe als urbane Funktion sichtbar werden. Der Fremdkörper zieht Aufmerksamkeit auf sich und thematisiert dadurch das Verhältnis der in ihm stattfindenden Arbeit zu ihrem städtischen Umfeld.

Der öffentliche Platz / Die Galerie als öffentlicher Raum

Öffentliche Plätze sind Orte, an denen sich mit den ersten festen Ansiedlungen in allen Kulturen gemeinschaftliches Leben und gemeinschaftliche Ordnung manifestieren. Sie dienten einer Vielzahl von Zwecken wie z.B. Handel, Rat und Gericht einer Gemeinschaft, kulturellen Ritualen. Die Funktionen von Plätzen haben sich, gemeinsam mit der Wandlung der Begriffe des Öffentlichen und des Privaten, im Laufe der Zeit allerdings stark verändert, wenn auch das antike Modell bis heute in den Definitionen des Öffentlichen und des Privaten im römischen Recht als Muster fortlebt. Öffentlichkeit hat in der Antike auf dem Marktplatz stattgefunden, wo sie sich im Gespräch, was auch die Form der Beratung und des Gerichts annehmen konnte, herstellte und als solche gegenüber dem privaten Bereich, der Geburt und Tod vorbehalten war, existierte. Dieses Modell war bei der Begründung moderner Staaten wesentlicher Bestandteil. Inzwischen haben sich die Lebensfunktionen kompliziert und auch die Bestimmung von Öffentlichkeit wurde in allen ihren Bereichen spezialisiert, sodaß sie ihren Ort schon lange nicht mehr auf Plätzen findet. Der Meinungsaustausch findet über die Medien statt, Beratungen und Gerichtsverhandlungen finden in Gebäuden statt, öffentliche Feste haben keine gesellschaftspolitische Funktion mehr. Märkte sind selten, sie findet man in den shopping malls wieder und gehandelt wird an der Börse. So sind öffentliche Plätze mehr und mehr Pufferzone zwischen Gebäuden, in denen die öffentlichen Angelegenheiten besprochen werden, und den vier Wänden, hinter die sich die sogenannte Privatsphäre verschanzt hat. Um Plätze mit Leben zu erfüllen – ”Auch will er leer nicht gesehen sein, sondern ganz voll Menschen.”(Goethe) – müssen sie wieder eine Funktion bekommen. Mit der Funktion ist es aber nicht getan, in südlichen Ländern kann der Platz fast ohne Rücksicht auf die Jahreszeit verwendet werden, in unseren Breitengraden entstehen im Winter große Probleme, weshalb es einer Klimahülle bedarf. Diesen Schutz bietet eine Galerie, ein überdachter öffentlicher Raum, der Platz für Aktivität bietet, das Gespräch, Theater, Ausstellung, Fest, etc.

Quelle: Jürgen Habermas – Strukturwandel der Öffentlichkeit

Die Plätze

Der öffentliche Stadtraum konzentriert sich in einem System von Plätzen – nicht als Ordnungsstruktur der Stadt, sondern als Bezugssystem der heterogenen Bebauungs- und Nutzungsformen (“Chaos” aus Arbeiten, Wohnen, Block, Zeile, gestreute/aufgereihte Solitäre). An ihnen treffen öffentlicher Raum und Arbeitsraum zusammen, werden als integrale Lebenssphäre wahrnehmbar. Sie sind geplante, aber nicht monofunktional definierte Kernpunkte (Subzentren) im Durcheinander der Funktionen, Gemeinschaften, Lebensformen.

- Platz des Nichts/der Leere

- Platz der Sonne (Markt)

- Turm der Toten (Friedhof)

- Große Brache/Wasserkreis

- Platz der Information (Stadtzeitung)

- Platz der Beschleunigung (Bahnhof)

- Große Treppe

- Stadtterrasse

An diesen besonderen Orten werden die existentiellen Funktionen der Stadt räumlich-symbolisch fixiert und thematisiert.

Platz des Nichts / Platz der Leere

Die städtische Unordnung zentriert sich in der Leere. Sie ist der Ausgangs- und Treffpunkt der Gegensätze im städtischen Raumgefüge – Nullpunkt der Differenz. Die Leere ist allen/allem gemein, alles ist aus ihr entstanden, geht zu ihr zurück. Sie ist der absolute gemeinsame Nenner jeder Gemeinschaft. Umbaute Negation des Gebauten (Realen, Determinierten), in dem sich Gemeinschaft und Individualität realisiert. Sie bietet das ideelle Refugium gerade vor diesen Realisierungen von Gemeinschaft, die per definitionem Reduktion des Subjektiven, also Besonderen zum Allgemeinen sind. Die Gemeinschaft versucht alles und alle in sich aufzunehmen, in Rollen und Kategorien zu fassen, zum Preis der Unterordnung derjenigen, die aufgenommen werden. Der Einzelne/Andere/Differente kann sich vor der vereinnahmenden Kraft des Realen/Determinierten seines sozialen (gebauten) Umfeldes in das Unbestimmte, Nicht-Definierte des Nichts flüchten, Atem holen, um die immer schmerzhafte Objektivierung seiner selbst abzuschütteln und wieder auf eine neue Reise zu gehen. Der leere Raum entspricht dem Raum, der den einen vom anderen trennt, den Gleichen zum Anderen macht, indem er sich zum Nicht-Gleich-Sein, zur Nicht-Identität mit dem Realen der anderen entscheidet. Goffman definiert diesen Raum der Negation von Identität als “Terrain des Selbst”, welches jedes Subjekt zu verteidigen in der Lage sein muß, um seine Subjektivität/Differenz gegenüber dem Anderen/der Gemeinschaft zu behaupten. Als umbauter öffentlicher Platzraum, der niemandem außer der Vorstellungskraft zugänglich ist, hat er die Qualität des Idealtyps jeden öffentlichen oder privaten Freiraums. Dieser, verstanden als nicht einer bestimmten Nutzung bzw. bestimmten Gruppe zugeordneter Raum, sondern als sinnfreier und damit machtfreier Raum, den niemand für sich vereinnahmen, ja nicht einmal betreten kann, wird Kernelement der neuen Stadt.

Quellen: Die verbotene Stadt (Peking)

Laotse: “Das Wirkliche eines Raumes sind nicht Wände, sondern die Leere, die sie umschließen.”

Platz der Sonne (Markt)

Mitten in der Stadt liegt ein “Kraftwerk”. Ein großes Solardach saugt die Energie aus dem Himmel und gibt sie weiter an die Stadt. Es bietet Schutz vor Sonne (und Regen) und nutzt gleichzeitig ihre Kraft. Der Markt der Waren und des Austauschs hat unter ihm seinen Platz.

Turm der Toten (Friedhof)

Mitten in der Stadt steht ein Turm, der Turm der Toten, der sich mit jedem Tod weiter in den Himmel schraubt. Die Stadt und der Tod durchdringen sich, er wird nicht mehr an die Peripherie der Stadt / des Bewußtseins verdrängt, sondern hat seinen besonderen Platz mitten im städtischen Geschehen.

Die große Brache

Mitten in der Stadt stößt man plötzlich auf Gestrüpp, Gebüsch, Vögel und Brombeeren. Der Natur, wie man sie bei Gründung der Stadt vorgefunden hat, wird hier als Insel Raum gegeben. Eingekreist und benutzt, aber nicht angelegt vom Menschen, verändert sie sich mit ihm – ein Freiraum für Natur und Mensch. Mitten in der Brache stößt man auf einen Wasserkreis, ein kreisrunder Ausschnitt im grünen Wirrwarr. Der symbolische Eingriff des Menschen zeigt die Anwesenheit des Wassers unter der Stadt und macht seine Angewiesenheit auf dieses “Grund”-Element deutlich – Kultur konfrontiert sich direkt mit der Natur.

Platz der Information (Stadtzeitung)

Entgegen der Informationsübermittlung durch Medien, die die Teilhabe an der Öffentlichkeit von der Öffentlichkeit und dem direkten Meinungsaustausch ausschließen (Fernsehen, Telefon, Fax etc.) und damit das Verfügen über Information weitestgehend irrelevant machen (Neil Postman), soll die Kenntnis über das Stadtgeschehen wieder in einer dem menschlichen Bewußtsein entsprechenden Geschwindigkeit kursieren und weitergetragen werden. In Echtzeit gesendete Nachrichten verlieren ihre Signifikanz, weil  sie die räumliche Trennung negieren und eine Reaktion bzw. allgemein ein Verhältnis von Individuum und Ereignis unmöglich machen. Deshalb wird auch Mitteilung auf einem öffentlichen Platz inszeniert, um Information als ein die Stadt strukturierendes Element sichtbar zu machen: Eine große Medienwand projiziert den Austausch von Aktualitäten in den erlebbaren Raum und drängt Information nicht länger in die Verborgenheit und Machtlosigkeit des Wohnzimmers.